1800 (ca.) | Tafelklavier anonym, England
keine Signatur[1]
Daten
- Länge: 1685 mm
- Breite: 552 mm
- Korpushöhe: 230 mm
- Gesamthöhe 880 [sic!][2] mm
- vier gedrechselte Füße, schlicht, mit Holzgewinde eingeschraubt
- Untertasten 116 mm sichtbare Länge, Belag: Ebenholz
- Obertasten 75 mm Länge, Belag: Elfenbein
- Stichmaß 487 mm
- Umfang: F1 f3 = 5 Oktaven
Mensur
- F1 = 1440 mm
- C = 1201 mm
- F = 1060 mm
- c = 872 mm
- f = 730 mm
- c1 = 540 mm
- f1 = 423 mm
- c2 = 292 mm
- f2 = 277 mm
- c3 = 147 mm
- f3 = 106 mm
Mechanik: Stoßmechanik; geteilte Dämpfung; Teilungspunkt h1
Veränderungen: ursprüngliche Handzüge demontiert; eine Klangbodenabdeckung, die in Teppichstangenlagern (diese noch vorhanden) befestigt war, fehlt; ein Schlitz in der rechten Wange des Klavieraturraumes lässt darauf schließen, dass es einen im 20. Jahrhundert hinzugefügten Mechanismus zum öffnen und Schließen der Klangbodenabdeckung (also zum Schwellen) gegeben haben könnte.
Bezug (nicht original): zweichörig mit zu starker Mensurierung; eng umsponnen bis Cis, danach moderne Stahlsaiten
Wirbel in zwei Feldern: erstes Feld bis E; Wirbel in Viererreihen mit Ausnahme f3; moderne vernickelte Zitherwirbel
Zustand: sämtliche Wirbel im ersten Wirbelfeld ausgerissen; Korpus aufgrund jahrzehntelanger falscher Besaitung / Stimmtonhöhe stark verzogen; das Instrument war zum Zeitpunkt des Erwerbs bedingt spielbar; es befindet sich derzeit in einer spannungsfreien „Rekonvaleszenzphase“, wobei die ursprüngliche Idee, das Instrument rückzubauen, dem Plan gewichen ist, genau diese für eine „Spielbarmachung“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts typische instrumentenbauliche Verfahrensweise zu dokumentieren.
Im Gegensatz zum Inneren ist das Gehäuse äußerlich gut erhalten bzw. als ansehnliches Möbel aufgearbeitet (Mahagoni).
Kurzcharakteristik: Der Kölner Musikwissenschaftler und bedeutende Herausgeber von Klaviermusik (vor allem für den Unterrichtsbereich) ließ sich dieses anonyme fünfoktavige Tafelklavier in englischer Bauweise für seine Zwecke nachträglich mit Pedal, stilistisch unpassender Lyra und modernen Klaviersaiten umrüsten. Zur Kompensation des überhöhten Saitenzuges hatte das Instrument zum einen unter dem Gehäuseboden eine Konstruktion aus mittels moderner Klavierwirbel spannbarer Drähte bekommen, die über stegartige Dinstanzhölzer geführt waren. Zur Vermeidung von Resonanzen war in diese Spanndrähte ein Schaumstoffstreifen eingeflochen. Zum anderen waren der hintere linke und der vordere rechte Fuß in Messingschuhe eingeschraubt, mit denen diese Füße auf dem Zimmerfußboden festgeschraubt werden konnten.
Im Status des Irmerschen Umbaus, der konträr zur Statik des Instrumentes stand, ist das Instrument ein Beleg für die Adaption historischer Tasteninstrumente in die musikalische Praxis in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. An Positivem lässt sich zugunsten von von Irmer sagen, dass er immerhin für sich das Bewusstsein entwickelte, dass jene Musik, die er edierte, eher auf einem Instrument der Zeit als auf einem modernen Tasteninstrument des 20. Jahrhunderts adäquat gespielt werden konnte.
Provenienz: Erwerb 200x aus der Erbmasse von Prof. Otto Irmer, Köln.
Literatur:
- Christoph Dohr: Acht Tafelklaviere der Sammlung Dohr. in: Schmuhl (Hg.), Geschichte und Bauweise des Tafelklaviers, Augsburg u. Michaelstein 2006, S. 389-406.
[1] Als besondere Bizarrerie ist zu vermelden, dass das Tafelklavier in der Mitte des Vorsteckers ein von ihrer Machart dem 20. Jahrhundert zuzuordnendes Messingtäfelchen mit der (Jahres-)Zahl „1726“ besaß. Eine Erörterung dieser in jeder Hinsicht absurden Zahl verbietet sich hier aus Gründen der Seriösität. Es muss zur Ehrrettung von Irmers angenommen werden, dass die Jahreszahl als heftiger kölscher Scherz Gäste aufs Glatteis führen sollte.
[2] Die im Vergleich zu den übrigen gleichalten Tafelklavieren der Sammlung Dohr „herausragende“ Gesamthöhe lässt vermuten, dass es sich nicht um originale Beine handelt.