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Montag, 08.01.2024 8:58

I046

1967 (ca.) | Kleincembalo Kurt Hutzelmann #1720 (Eisenberg/Thüringen)

Signatur auf Vorstecker: Schiedmayer & Soehne, Stuttgart; Serien-Nummer vorne links: 9731; Typ-Nummer groß Innenseite linke Wand, zudem auf Oberkante Vorstecker und auf Mechanik: E85; Mechanik-Nummer auf Mechanik-Block und innen auf Instrumentenboden im Bereich des Einschubs: 43140.

Kleincembalo Kurt Hutzelmann Kleincembalo Kurt Hutzelmann Kleincembalo Kurt Hutzelmann
Kleincembalo Kurt Hutzelmann Kleincembalo Kurt Hutzelmann Kleincembalo Kurt Hutzelmann

Die Pianofabrik Kurt Hutzelmann (geb. 7. Oktober 1889, gest. xx.xx.1971) wurde am 17. August 1919 in der Ludwig-Jahn-Straße in Eisenberg/Thüringen gegründet. In den ersten Jahren wurden ausschließlich Pianinos, seit ca. 1927 aber auch Klein-Cembali gebaut. 1954 erfolgte die Löschung im Handelsregister und die Fortführung der Fertigung als Handwerksbetrieb. Die Produktion von Cembali wird ca. 1969 eingestellt. Die Firma existiert noch heute (2011) in dritter Generation als Klavierhandels- und -servicebetrieb mit Filialen in Jena und Weimar.

Kurt Hutzelmann galt in seiner Familie als Tüftler, weniger kommerziell als stets an Neuerungen interessiert (Stempel: "Alle meine seit 1921 angemeldeten Erfindungen an meinen Pianos-Flügel u. Cembalos haben folgende Urkunden-Nummer, unter Klasse 51b, teils als DRGM, DRP, BRP, DDRP: [774 331] [1146 546] [1258 956] [1362 486] [1 371 184] [934 985] [36 939].) Sein besonderes Interesse galt historischen Tasteninstrumenten, deren Konstruktion und Restaurierung.

Kurt Hutzelmann entwarf insgesamt fünf Modelle "moderner" historischer Tasteninstrumente, die Serienreife erlangten. Er verfolgte damit einen ganz anderen Weg als etwa die ebenfalls in Eisenberg ansässige Firma Ammer. Das aus heutiger Sicht kurioseste Instrument aus Hutzelmannscher Fertigung war das "Klaviezi", eine einpedalige Klavierzither (125 cm lang, 100 cm breit, Gussrahmen, ca. 72 kg Gewicht). Als "Cembalo des 20. Jahrhunderts" und "ganz neue Entwicklung" konzipierte und produzierte Hutzelmann die beiden Modelle "C54" und "C66", letzteres auch als "Modell Bach" angeboten. Ferner bot er zwei einchörig besaitete Klavichorde (A1 – f3 bzw. F1 – f3) an. Diese Instrumente wurden vollständig in seinem Betrieb gefertigt (also ohne Verwendung von zugelieferten Halbfertigprodukten wie im Bereich der Pianoforte-Fertigung üblich).

Die Sammlung Dohr verfügt derzeit über zwei Exemplare Modell "C54" (Cembalo mit 54 Tasten = 4 1/2 Oktaven Umfang), Seriennummer 1720 (ca. 1967, 2008 erworben aus Kölner Privatbesitz) und Seriennummer 1733 (ca. 1968; 2007 erworben über Händler J. C. Neupert) aus der Fertigung von Kurt Hutzelmann. Zur Datierung und zur Seriennummernvergabe (Information von Th. Hanf, s.u.): Die Vorkriegsproduktion endete im kleinen fünfstelligen Bereich. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde mit "1" angefangen. Hutzelmann baute auch (Klein-)Klaviere, die das Gros der gebauten Instrumente darstellten. Die Cembali wurden bei der Vergabe der Seriennummer fortlaufend in die Gesamtzählung aufgenommen. Das letzte gebaute Cembalo trägt die Nummer 1740 und entstand ca. 1969.

Die beiden Cembalo-Modelle in Miniatur-Flügelform der Sammlung Dohr wurden von Firmengründer Kurt Hutzelmann (gest. 1971) entwickelt, um Kielinstrumente mit (dank Gussrahmen) geringem Stimmbedarf für Konzertreisen zur Verfügung zu haben. Das einmanualige Kleincembalo C54 verdient aus u.a. folgenden Gründen besondere instrumentenbaugeschichtliche Beachtung:

  1. Es stellt einen besonderen, kuriosen Versuch dar, Elemente des Klavierbaus mit der Klangerzeugung eines Cembalos zu kreuzen.
  2. Die Proportionen sind dahingehend verändert, dass die einschwingende gebogene rechte Korpuswand mit der Basswand zusammenschmilzt. Die Korpusmaße nehmen keinerlei Rücksicht auf akustische Notwendigkeiten und die Mensur. Der Mensurverlauf kann als "einzigartig" hingestellt werden.
  3. Hutzelmann verzichtet auf die Möglichkeit, ein zweites Register (gerade bei der Kürze des Instrumentes bietet sich ein 4'-Register auf demselben Klangsteg förmlich an; 4'-Register neigen aber selbst bei Gussrahmen-Cembali leicht zur Verstimmung) einzubauen, obwohl von der Konstruktion her ausreichend Platz vorhanden wäre. [Nach Auskunft von Thomas Hanf, s.u., gab es auch ein größeres Modell mit 10 Tasten mehr und zweichörigem Bezug.]
  4. Es entsteht ein sehr karg disponiertes geradsaitig bezogenes Cembalo, das auf die Vorzüge des schrägsaitigen Bezugs eines Spinetts (Platz sparend bei zugleich besserem Mensurverlauf) verzichtet.
  5. Stattdessen sind besondere Klangeffekte möglich durch einen mittels (linkem) Pedal möglichen punktuellen Einsatz des Lautenzugs und vor allem durch das kielinstrument-atypische (rechte) "Forte"-Pedal. [Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die meisten Digital-Pianos ab dem Ende des 20. Jahrhunderts einen Klangeffekt namens "Cembalo" bzw. "Harpsichord" aufweisen, der ebenfalls über das "Dämpfungsaufhebungs"-Pedal nolens volens Hutzelmann-artige Klangeffekte ermöglicht.]
  6. Nach Information von Thomas Hanf (s.u.) wurden die Cembali von Kurt Hutzelmann original mit Gänsekielen bekielt - unter anderem auch aus Materialmangel. In der der Serienfertigung vorangegangenen Phase entstanden auch Instrumente mit Messingkielen und mit Federn als Mechantik-Bauteilen.

Leider haben weder Hutzelmann-Cembali eine weite Verbreitung noch das Baukonzept Nachahmer gefunden, so dass die möglichen besonderen Klangeffekte (harfenartige Klangeffekte durch das Ineinanderklingen der Töne bei gedrücktem "Forte-"Pedal) keinen Niederschlag in Kompositionen für dieses Instrument gefunden haben.

  • Namensschild auf Vorstecker: "K.Hutzelmann / Eisenberg Th."
  • Länge: 127 cm (Herstellerangabe: 130 cm)
  • Breite: 98 cm (Herstellerangabe: 102 cm)
  • Korpus außen aus heller Eiche (Rüster), innen Ahorn; drei spitz zulaufende Beine mit quadratischem Grundriss
  • ein Manual, Klaviertasten-Mensur und -Optik; Untertasten weiß, Plastik; Obertasten schwarz, Plastik; Untertastenvorderkante stark gerundet (lediglich bei #1720)
  • gusseisener Rahmen
  • Hebel-Oberdämpfung (Dämpfer keilförmig)
  • Umfang: C – f3 = viereinhalb Oktaven
  • nur 1 klingendes Register [!]: 8'; geradsaitiger Bezug.
  • 2 Pedale (von links) in stilisierter schlanker Lyra: "Piano" = nicht rastbarer Lautenzug [!], "Forte" = Dämpfungsaufhebung [!]
  • Gewicht ca. 103 kg (nach Herstellerangabe)

Provenienzen: [1] Erwerb aus Privatbesitz, Köln-Poll. [2] Erwerb aus der Sammlung Neupert II, Bamberg.

Quellen u. Literatur:

  • Hutzelmann & Co: Werbefaltblatt "Klaviezi", ca. 1920/1930er-Jahre.
  • Hutzelmann & Co: Werbeblatt zum Modell "Bach", ca. 1930er-Jahre.
  • Hutzelmann & Co: Int. Verkaufskatalog "Nr. 5" Pianinos engl./frz./span., undatiert.
  • Kretschmar: Kurt Hutzelmann, ein Eisenberger Instrumentenbauer, in: Zwischen Saale und Elster. Monatsschrift für Kultur und Heimat für den Kreis Eisenberg, Jg. 2 (12/1957), S. 343-346.
  • Werbefaltblatt "40 Jahre Hutzelmann" 1919-1959 (1959) mit gedrucktem und bestempeltem Einkleber von 1961.
  • Wolfgang Zuckermann: The Modern Harpsichord. Twentieth-Century Instruments and Their Makers. New York: October House Inc., 1969, S. 136.
  • Hubert Henkel, Art. „Hutzelmann, Kurt“, in: ders., Lexikon deutscher Klavierbauer, 1. Aufl. Frankfurt am Main 2000, S. 274
  • Jan Großbach, Atlas der Pianonummern, 10. Aufl. Frankfurt/Main 2005, S. 171.
  • Jörg Holzmann: 100 Jahre, drei Generationen, eine Leidenschaft: Piano Hutzelmann, Eisenberg/Thüringen. in: Europiano Heft 3/2021, S. 25-29 (deutsch) bzw. S. 30-32 (englisch).

ergänzende Informationen: mehrere Telefonate mit dem Enkel des Erbauers, Klavierbaumeister Thomas Hanf (Eisenberg/Thür.). Besuch in Eisenberg bei Fa. K. Hutzelmann am 09.09.2011. Das Hutzelmann-Cembalo #1733 der Sammlung Dohr wurde im Frühjahr 2009 durch die Firma J. C. Neupert, Bamberg generalüberholt und ist wieder voll spielbar.