1809 | Tafelklavier Knowles & Allen (Aberdeen/Scotland; Hersteller: Broadwood & Sons, London) #606
Signatur in Tusche auf Vorstecker: "Knowles & Allen / Grand & Square / Piano Forte Manufacturers / Union Street / Aberdeen", umgeben von floralen Linien; Signatur in Tusche auf Oberseite des Tastenhebels d3 = #67 (recte #57) = letzte Taste vor Abdeckung durch Resonanz-Boden: "AlKnowles"; Seriennummer (Stanzung rechts im Stimmstock, im Anschluss an die Diskant-Wirbel): "606"
Die beiden obigen Fotos zeigen das im August 2014 durch Edwin Beunk rekonstruierte Pedal des Tafelklaviers #606 von Knowles & Allen nach dem Vorbild eines baugleichen Tafelklaviers von Broadwood & Sons aus dem Jahre 1809 und unter Verwendung der Substanz eines historischen Original-Pedals (vgl. Erörterung in der Instrumenten-Beschreibung): Broadwoodsches hölzernes "Schnabel"-Pedal, Säule mit konzentrisch innenliegender Treiberstange. |
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Bei obigem Foto ist das Vorsatzbrett des Tafelklaviers #606 von Knowles & Allen zum Vergleich auf das Vorsatzbrettes eines Tafelklaviers von Broadwood & Sons aus dem Jahre 1809 gestellt worden (vgl. Erörterung in der Instrumenten-Beschreibung). |
- Breite (inkl. Deckelüberstand): 1630 mm
- Tiefe (inkl. Deckelüberstand): 610 mm
- Korpushöhe ohne Schubladen und Unterklötze: 230 mm
- Korpushöhe mit Schubladen und Unterklötzen: 310 mm
- Gesamthöhe 860 mm (Beinlänge 550 mm inkl. Rolle)
- Untertasten 124 mm sichtbare Länge, Belag Elfenbein, getreppte Tastenfront
- Obertasten 78 mm Länge, Ebenholz
- Stichmaß: 489 mm
- Umfang: F1 c4 = 5 1/2 Oktaven = 68 Tasten
Instrument steht auf sechs mit Holzgewinde eingeschraubten, gedrechselten Beinen (vier vorne, zwei hinten), jeweils mit kleiner Messingrolle; drei sehr schmuckvolle, dekorative Schubladen: je eine kleine links und rechts, eine große mittig; Fach vorne links; hinterlegte Laub hinten rechts im Instrument und links und rechts im Vorsatzbretter (diese identisch in der Ausführung mit einem Broadwood-Tafelklavier von 1809); zahlreicher zierender, applizierter Messing-Schmuck; links, vorne, rechts umlaufender massiver Messingstab (Durchmesser 6mm) in der Fuge zwischen Korpus und unterer Zierleiste (fehlt auf 30 cm Länge an linker Seite); Dustcover fehlt; originales Schloss, Schlüssel fehlt.
zwei Notenpulte: (a) bei geöffnetem Deckel ausklappbares Notenpult, an Rückseite des Vorsatzbrettes angeschraubt; (b) bei geschlossenem Deckel Notenleiste auf der Innenseite des vorderem linken Deckels angebracht, die aufgestellte Tastaturklappe funktioniert als zweites Auflager. übliche "frühe" Deckelteilung mit separat verschließbaren vorderem rechten Deckelsegment oberhalb des Resonanzbodens. Kehlige Ausfräsung in der Hauptdeckelunterseite, um das Anschlagen der Dämpfer beim Spiel mit geschlossenem Deckel zu verhindern.
Mensur:
- F1 = 1390 mm [sic]
- C = 1205 mm
- F = 1075 mm
- c = 890 mm
- f = 745 mm
- c1 = 530 mm
- f1 = 410 mm
- c2 = 275 mm
- f2 = 210 mm
- c3 = 135 mm
- f3 = 105 mm
- c4 = 75 mm
Mechanik: einfache englische Stoßmechanik ("single action"); Tastenhebel ausgebleit
Veränderung: keine Schiebehebel; keine Kniehebel; ein Pedal (nicht original erhalten; Rekonstruktion August 2014 unter Verwendung eines Original-Pedals eines "gestorbenen" Tafelklaviers derselben Zeit durch Edwin Beunk, Enschede), am Unterklotz des zweiten Beines von links: Dämpferaufhebung
Bezug: zweichörig; F1 bis E Messing weit umsponnenen, F bis e Messing blank, f bis c4 Stahl; Stimmwirbel in Vierergruppen: im Bassbereich zunächst in Reihen, später in Gruppen zu 2x2 Wirbeln; Bezeichnung der Tonhöhen in Tusche auf dem Stimmstock.
Zustand: teilrestauriert, unreguliert, aber spielbar.
Datierung: Das Instrument selbst hat keine Datierung. Die Seriennummer 606 weist - nach Clinkscale, die die ihr bekannten beiden Tafelklaviere von Knowles & Allen: #520 auf "c. 1800" und #572 auf "c. 1805" datiert - auf eine Entstehungszeit 1809 hin. Die exakte Datierung ist aufgrund eines baugleichen Broadwood-Tafelklaviers (siehe nachfolgenden Text und Foto in der Tafelklavier-Galerie) möglich.
Knowles & Allen - Hersteller oder Händler? Schon Clinkscale (siehe Literatur) schreibt in ihrem Artikel "Knowles & Allen": "Piano makers or dealers in Aberdeen. The given names of neither of the partners is certain." und referiert desweiteren ihre Quellen: "Allen may have been either Robert or John Allen, one of whom was a craftsman employed by Broadwoods. A. Roy Knowles believes that Robert Allen workes for Broadwoods, while Spiller [siehe Literatur] feels that it was John." Sie kommt zu dem Schluss: "I suggest that the firm of Knowles and Allen may have been dealers, who purchased pianos from various English makers, principally Broadwoods." James Boeringer (siehe Literatur) fasst seine Recherchen wie folgt zusammen: "The name Allen is also involved in two partnerships, concerning which I have been unable to discover any further information: the firm of Knowles & Allen was established in 1803 and made organs, pianos, violins, and guitars [...]."
Die Tatsache, dass im Zuge der Recherchen zur Restaurierung durch die Voreigentümerin nun ein konstruktiv identisches Broadwood-Tafelklavier gefunden und diesem instrument an die Seite gestellt werden konnte, macht die bisherigen Vermutungen zur Gewissheit: Knowles & Allen erhielten entweder ein unsigniertes Broadwood Square Piano zum "Finishing", oder tilgten selbst die Tusche auf dem Vorsatzbrett. Die Tatsache, dass Knowles & Allen selbst Seriennummern vergab, zeugt von einem hohen Selbstbewusstsein.
Kurzcharakteristik: Ein gut erhaltenes und schönes Instrument aus der mittleren Phase der Fünfeinhalboktaver, zugleich der Kernzeit der kunstgeschichtlich so genannten "Regency"-Epoche; wahrscheinlich (vgl. Literatur) aus der Groß-Produktion der bedeutenden Londoner Klavierfabrik von Broadwood and Sons stammend und lediglich von Knowles & Allen, die in Aberdeen als Händler wirkten, "gelabelt" - im anderen Falle sehr eng an die Broadwoodsche Produktion angelehnt. Ein in den äußeren Abmessungen ähnliches und im Ambitus identisches Instrument (datiert "ca. 1805") befindet sich in der Finchcocks collection, Kent (Kat. Nr. 56).
Provenienz: 2010 von Voreigentümerin im englischen Handel (David Winston, Period Piano Company, GB-Kent) erworben; Spielbarmachung in Deutschland durch Voreigentümerin; Erwerb Herbst 2013 für die Sammlung Dohr; Rekonstruktion des Pedals August 2014 durch Edwin Beunk; Teilrestaurierung Sept./Okt. 2014 durch Christoph Kern.
Literatur:
- Michael Spiller: The Regency Piano Trade in Aberdeen, in: Galpin Society Journal Vol. 32, Cambridge May 1979, S. 115-123.
- Pierce Piano Atlas, 8. Aufl. Termino/CA 1982, S. 166 [nur Listung des Namens].
- James Boehringer: Organa Britannica: Organs in Great Britain 1660-1860: Vol. 1 (Cranbury, NJ 1983), S. 87 f. (hier S. 88).
- Martha Novak Clinkscale, Makers of the Piano 1700-1820, Oxford 1993, 2. Aufl. 1994, S. 169.
- Martha Novak Clinkscale, Art. Upright Piano, in: Robert Palmieri (Hg.): Encyclopedia of the Piano, New York / London 1996, S. 420-425, hier: S. 422 [nur Listung des Namens].
- Jens-Uwe Witter: Das Klavierlexikon, 2, Aufl. Schillingsfürst 2000, S. 395 [nur Listung des Namens].
- Michael Cole: Broadwood Square Pianos. Their Historical Context, and Technical Development, Cheltenham 2005.
- Informationen und Fotodokumentation der Voreigentümerin.